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Wie viel Geld macht glücklich?

MOPO am Sonntag, 22.01.2012

Die MOPO am Sonntag sprach mit dem Millionär Jürgen Hunke und Künstler Lothar Mattejat. Sie haben zwei verschiedene Lebensplanungen – und doch ist jeder auf seine Art zufrieden.

Macht Geld glücklich? Eine Frage, an der sich unzählige Wissenschaftler die Zähne ausgebissen haben. Die MOPO ging ihr in einer strahlend weißen Villa am Mittelweg (Rotherbaum) auf den Grund. Das Haus gehört Millionär Jürgen Hunke (68). In seiner Buddha-Lounge spricht er zusammen mit dem Künstler Lothar Mattejat (51) über Geld, Glück und Lebensplanung.

MOPO: Wann haben Sie sich zuletzt etwas gekauft, was Sie glücklich gemacht hat?

Mattejat: In der vergangenen Woche. Ölfarben, Pinsel und ein bisschen Leinwand. Damit zu arbeiten ist mein Leben. Das ist das, was mich kickt und befriedigt.

Was haben Sie dafür ausgegeben?

Mattejat: 600 oder 700 Euro. Ich male mit Öl. Deshalb kann ich nicht jede Woche loslaufen und mir diese Dinge kaufen. Das wäre zu teuer. Alle vier Monate ist das drin.
Hunke: Das Letzte, was ich mir gekauft habe, war ein Buch über Wohnungen in Berlin. Das war nicht so teuer, 39 Euro. Das macht mich auch zufrieden.

Was ist denn für Sie Glück?

Hunke: Unabhängig zu sein, mir kleine und große Wünsche erfüllen zu können. Manchmal sind die kleinen viel schöner als die großen.

Herr Mattejat, was sind die drei Dinge, die für Sie Glück bedeuten?

Mattejat: Größtmögliche Freiheit, was Freizeit angeht. Dazu gute Ernährung und meine Familie.

Hunke: Mein größter Antrieb ist geistige, körperliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Dann kann man sein Leben gestalten, wie man sich es vorstellt. Ich bin sehr glücklich.

Sie sind aber schon Luxusliebhaber?

Hunke: Luxus ist, sich Wünsche zu erfüllen. Das habe ich mir hart erarbeitet. Ich habe als Kind Pfandflaschen weggebracht. Wir haben Möbel aus Haushaltsauflösungen gekauft, haben die angemalt. Dann waren wir auch glücklich. Heute brauche ich keine Pfandflaschen mehr zu sammeln. Aber das habe ich mir auch ganz bürgerlich angespart. Das Leben besteht aus drei Teilen: Bis 25 hat man gelernt, dann 35 Jahre, in denen man alles regeln muss, ab 60 hat man hoffentlich 30 Jahre zum Genießen. Darum muss man das planen.

Muss man tatsächlich bis 60 alles geregelt haben?

Mattejat: Ich sehe das anders. Bei mir ist es so, dass ich schon immer in einem Fluss lebe. Ich plane nicht…

Hunke: Schon immer?

Mattejat: Ja. Ich bin in Blankenese aufgewachsen, habe Einblicke in die Oberschicht bekommen und sehr früh entschieden, so nicht leben zu wollen.

Hunke: Reiche sind zum Teil auch unzufrieden.

Mattejat: Dekadent und unglücklich…

Hunke: Aber alle?

Mattejat: Es gibt Ausschweifungen…

Hunke: Solche Leute kenne ich komischerweise nicht.

Sind Sie denn finanziell abgesichert?

Mattejat: Nein.

Würde es Ihnen nicht Sicherheit geben, wenn Sie wüssten: Ich habe so viel Geld, ich kann malen, was und wie ich will?

Mattejat: Das ist für mich gar keine Frage. Ich habe einen Haufen Bilder. Das ist meine Sicherheit. Das mag zwar ein Risiko sein, wie an der Börse auch. Ich lebe halt so, dass ich meine Sachen frei gestalte. Ich habe nicht das Ziel, dass ich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Betrag auf dem Konto habe.

Herr Hunke, ist Ihr Vermögen ein Symbol für Ihr Glück?

Hunke: Mir gibt es die Möglichkeit, so zu leben, wie ich will. Ich reise durch die Welt. Dann gehe ich in gute Hotels, fliege in einem guten Flugzeug, aber esse in Asien auch an einer Garküche für einen Euro. Es muss nicht immer teuer sein, um schön zu sein. Ich fahre die verrücktesten Autos der Welt, das einzige Ferrari Testarossa Cabrio, aber zum Fußball gehört für mich eine Bratwurst.

Was ist für Sie Erfolg und Luxus, Herr Mattejat?

Mattejat: Zeit zu haben und Natur zu erleben, etwa in meinem Schrebergarten. Ich strebe nicht nach materiellen Dingen, brauche keine Autos. Ich hatte nie einen Führerschein. Für mich ist es ein Unding, selber so eine große Maschine zu fahren.

Wollten Sie noch nie etwas haben, das Sie sich aber nicht leisten konnten?

Mattejat: Nein, ich brauche nur das, was ich habe.

Hunke: Das geht mir auch so. Aber wenn wir nicht konsumieren, geht die Welt zugrunde.

Mattejat: Das ist mir klar. Wir leben ja nicht im Sozialismus.

Wenn Sie morgen eine Million geschenkt bekommen würden, würden Sie sich darüber freuen?

Mattejat: Natürlich. Ich würde mir keinen Luxusgegenstand kaufen, sondern es in Projekte stecken. Oder talentierten Künstlern helfen.

Hier sitzen zwei glückliche Menschen.

Hunke: Es ist schon Glück, kulturelle Einrichtungen wie die Kammerspiele retten zu können. Ich habe das Haus von der Stadt gekauft, zusammen mit meinem Partner etwas mehr als zwölf Millionen D-Mark investiert. Ich habe auch Vereinen helfen können. Ich habe dabei viel verloren, kann aber trotzdem noch gut leben. Manchmal braucht man zum Glück auch etwas Geld.

Welches Glück in Ihrem Leben haben Sie sich nicht gekauft?

Mattejat: Es ist nichts davon gekauft.

Hunke: Man kann sich Socken und Schuhe kaufen, aber kein Glück. Ich bin empfindlich, was Gesundheit angeht. Die ist für mich ganz wichtig. Ich werde nächstes Jahr 70. In meinem Alter sterben jetzt die ersten Freunde. Ich bin froh, dass ich Immobilien habe, mich pflegen lassen kann. Das habe ich mir mit Fleiß erarbeitet. Der ist am Ende entscheidend.

Mattejat: Und Innovation.

Hunke: Genau, Kreativität. Wir sind in vielen Dingen deckungsgleich. Ich halte mich auch für eine Art Künstler. Nur dass ich einen Führerschein habe.

Von Erik Trümpler und Geli Tangermann

Aus: MOPO am Sonntag, 22.01.2012